Es ist 8 Uhr morgens. Über den Hof in Jahaly läutet die Glocke von Mrs. Fatty, der Schulleiterin.
Die Kinder sitzen schon in den Klassenräumen und springen wieder auf, um sich zur „Assembly“ auf dem Schulhof zu versammeln. Die Lehrer haben Mühe, Ordnung in die Reihen zu bringen. Die Kleinen zuerst, die Großen dahinter. Aus allen Klassen stellen sich die Kinder in Reihen auf dem Hof auf. Es ist jetzt schon sehr heiß und die Kinder sind noch müde. Zuerst wird gebetet. Auf arabisch. Die Kinder falten die Hände und sagen die Gebetszeilen wie ein Mantra auf.
Der Lehrer für Arabisch und Islamische Religion geht durch die Reihen und inspiziert genaustens die Köpfe der Kleinen in ihren zu großen rosa-weißen Schuluniformen. Die Köpfe der Jungs sollen glatt geschoren und die Haare der Mädchen zu engen Zöpfen geflochten sein. Der Lehrer zieht die Jungen mit zu langen Haaren aus den Reihen und stellt sie nach vorne auf die Treppenstufen. Sie werden ermahnt und Mrs. Fatty verspricht, sie nächstes Mal nach Hause zu schicken. Doch das passiert nicht wirklich. Sie sollten sich aber doch bitte merken, dass zum Anfang der Woche die Haare frisch rasiert sein sollen. Kurze Haare bedeuten einfachere Pflege, bessere Hygiene und weniger Wasserverbrauch. Wer nicht grade steht und wer kichert, wird ermahnt. Spaß gibt es jede Menge im Jahaly Madina Kindergarten, aber jetzt muss genau zugehört werden.
Wie im Unterricht sprechen die Lehrer auch jetzt nur Englisch mit den Kindern. Sie werden begrüßt und gefragt welcher Tag heute ist. Durcheinander werden alle Wochentage mit fester Überzeugung gerufen. Nachdem sich alle auf Montag geeinigt haben, erhebt sich Mrs. Fatty von ihrem Holzstuhl. Unter ihrem bunten Gewand prangt ihr hochschwangerer Bauch. Sie stützt sich am Stuhl ab und spricht zu den Kindern.
Am Wochenende gab es einen Unfall auf dem Transgambian Highway. Ein Mädchen wurde fast überfahren, weil sie ohne nachzudenken über die Straße gelaufen ist. Die Kinder sollen lernen zu schauen, dass keine Kutsche, kein Lastwagen und kein anderes Auto kommt, wenn sie die einzige Straße im Dorf überqueren. Dafür wurde extra der Zebrastreifen auf den Highway gepinselt. Damit es auch alle verstehen, wiederholt Mrs. Fatty die Ansprache noch einmal auf Serahule.
Dann spricht sie noch über den Baobab Tree auf dem Schulhof. Es sei nicht mehr erlaubt, die Früchte von hoch oben in den Zweigen mit Stöcken runterzuziehen. Die Schale der Baobab Früchte ist hart und kann die Kinder verletzen, wenn sie vom Baum fällt. Ein paar Jungs kichern und werden sofort mit einem Klaps auf den Hinterkopf ermahnt. Das sei nicht lustig, sagt Mrs. Fatty streng. Genau wie der Gebrauch von Wasser! Die Leitung in der Schule sei zum Hände waschen vor und nach dem Essen vorgesehen. In Jahaly ist das besonders wichtig, weil alle Kinder ihren Reis mit den Händen essen.
„Das Wasser ist nicht zum Spielen da! Wenn ich doch jemanden dabei erwische, wie er andere nass macht oder das Wasser laufen lässt, der bekommt kein Mitagessen!“ Diese Warnung lässt sie einen Moment auf die Kinder wirken.
Dann erklärt sie mit einer weichen Stimme, was für ein Glück die Kinder haben, in Jahaly zur Schule gehen zu können. Viele Kinder in Gambia haben kein Wasser. Sie sollen schätzen, was sie für einen Luxus genießen. Eine warme Mahlzeit am Tag zu bekommen. Zur Schule gehen zu dürfen. Bildung zu bekommen. „Viele Kinder warten auf einen Platz wie ihr ihn habt. Wenn ihr keine Lust habt, dann geht! Dann wird hier nächsten Montag jemand anderes an eurem Platz stehen und ihr werdet bald auf den Reisfeldern arbeiten“. Alle Kinder hören andächtig zu. Sie scheinen zu verstehen, in was für einer glücklichen und für Jahaly und die umliegenden Dörfer unüblichen Lage sie sich befinden.
Anschließend wird die Schulhymne gesungen. Dazu gibt es Handbewegungen und eine Art Tanz, den alle mittanzen. Der Text scheint nicht allen ganz schlüssig zu sein. Er enthält Metaphern wie „the bell of knowledge ringing sweetly“. Bei der Zeile „Welcome to Jahaly Madina Kindergarten!“ singen dann aber alle wieder lauthals mit. Danach singen noch alle zusammen die gambische Nationalhymne. Alle kennen sie auswendig und singen und klatschen mit. Manche Kinder schließen die Augen.
For the Gambia, our homeland, we strive and work and pray.
That all may live in unity, freedom and peace each day.
Let justice guide our actions to work man’s common good,
and join our diverse peoples, to prove man’s brotherhood.
We pledge our firm allegiance, our promise we renew.
Keep us, great God of nations,
to the Gambia ever true.