Morning Assembly – Nutzt eure Chance!

Es ist 8 Uhr morgens. Über den Hof in Jahaly läutet die Glocke von Mrs. Fatty, der Schulleiterin.

Die Kinder sitzen schon in den Klassenräumen und springen wieder auf, um sich zur „Assembly“ auf dem Schulhof zu versammeln. Die Lehrer haben Mühe, Ordnung in die Reihen zu bringen. Die Kleinen zuerst, die Großen dahinter. Aus allen Klassen stellen sich die Kinder in Reihen auf dem Hof auf. Es ist jetzt schon sehr heiß und die Kinder sind noch müde. Zuerst wird gebetet. Auf arabisch. Die Kinder falten die Hände und sagen die Gebetszeilen wie ein Mantra auf.

Der Lehrer für Arabisch und Islamische Religion geht durch die Reihen und inspiziert genaustens die Köpfe der Kleinen in ihren zu großen rosa-weißen Schuluniformen. Die Köpfe der Jungs sollen glatt geschoren und die Haare der Mädchen zu engen Zöpfen geflochten sein. Der Lehrer zieht die Jungen mit zu langen Haaren aus den Reihen und stellt sie nach vorne auf die Treppenstufen. Sie werden ermahnt und Mrs. Fatty verspricht, sie nächstes Mal nach Hause zu schicken. Doch das passiert nicht wirklich. Sie sollten sich aber doch bitte merken, dass zum Anfang der Woche die Haare frisch rasiert sein sollen. Kurze Haare bedeuten einfachere Pflege, bessere Hygiene und weniger Wasserverbrauch. Wer nicht grade steht und wer kichert, wird ermahnt. Spaß gibt es jede Menge im Jahaly Madina Kindergarten, aber jetzt muss genau zugehört werden.

Wie im Unterricht sprechen die Lehrer auch jetzt nur Englisch mit den Kindern. Sie werden begrüßt und gefragt welcher Tag heute ist. Durcheinander werden alle Wochentage mit fester Überzeugung gerufen. Nachdem sich alle auf Montag geeinigt haben, erhebt sich Mrs. Fatty von ihrem Holzstuhl. Unter ihrem bunten Gewand prangt ihr hochschwangerer Bauch. Sie stützt sich am Stuhl ab und spricht zu den Kindern.

Am Wochenende gab es einen Unfall auf dem Transgambian Highway. Ein Mädchen wurde fast überfahren, weil sie ohne nachzudenken über die Straße gelaufen ist. Die Kinder sollen lernen zu schauen, dass keine Kutsche, kein Lastwagen und kein anderes Auto kommt, wenn sie die einzige Straße im Dorf überqueren. Dafür wurde extra der Zebrastreifen auf den Highway gepinselt. Damit es auch alle verstehen, wiederholt Mrs. Fatty die Ansprache noch einmal auf Serahule.

Dann spricht sie noch über den Baobab Tree auf dem Schulhof. Es sei nicht mehr erlaubt, die Früchte von hoch oben in den Zweigen mit Stöcken runterzuziehen. Die Schale der Baobab Früchte ist hart und kann die Kinder verletzen, wenn sie vom Baum fällt. Ein paar Jungs kichern und werden sofort mit einem Klaps auf den Hinterkopf ermahnt. Das sei nicht lustig, sagt Mrs. Fatty streng. Genau wie der Gebrauch von Wasser! Die Leitung in der Schule sei zum Hände waschen vor und nach dem Essen vorgesehen. In Jahaly ist das besonders wichtig, weil alle Kinder ihren Reis mit den Händen essen.
„Das Wasser ist nicht zum Spielen da! Wenn ich doch jemanden dabei erwische, wie er andere nass macht oder das Wasser laufen lässt, der bekommt kein Mitagessen!“ Diese Warnung lässt sie einen Moment auf die Kinder wirken.
Dann erklärt sie mit einer weichen Stimme, was für ein Glück die Kinder haben, in Jahaly zur Schule gehen zu können. Viele Kinder in Gambia haben kein Wasser. Sie sollen schätzen, was sie für einen Luxus genießen. Eine warme Mahlzeit am Tag zu bekommen. Zur Schule gehen zu dürfen. Bildung zu bekommen. „Viele Kinder warten auf einen Platz wie ihr ihn habt. Wenn ihr keine Lust habt, dann geht! Dann wird hier nächsten Montag jemand anderes an eurem Platz stehen und ihr werdet bald auf den Reisfeldern arbeiten“. Alle Kinder hören andächtig zu. Sie scheinen zu verstehen, in was für einer glücklichen und für Jahaly und die umliegenden Dörfer unüblichen Lage sie sich befinden.

Anschließend wird die Schulhymne gesungen. Dazu gibt es Handbewegungen und eine Art Tanz, den alle mittanzen. Der Text scheint nicht allen ganz schlüssig zu sein. Er enthält Metaphern wie „the bell of knowledge ringing sweetly“. Bei der Zeile „Welcome to Jahaly Madina Kindergarten!“ singen dann aber alle wieder lauthals mit. Danach singen noch alle zusammen die gambische Nationalhymne. Alle kennen sie auswendig und singen und klatschen mit. Manche Kinder schließen die Augen.

For the Gambia, our homeland, we strive and work and pray.

That all may live in unity, freedom and peace each day.

Let justice guide our actions to work man’s common good,

and join our diverse peoples, to prove man’s brotherhood.

We pledge our firm allegiance, our promise we renew.

Keep us, great God of nations,

to the Gambia ever true.

Einmal um die Welt

„Welche Länder in Afrika außer Gambia kennt ihr noch?“ – „Senegal!“, ist die einzige Antwort, die die Kinder im Jahaly Madina Kindergarten mir geben können. Ein Mädchen sagt stolz „Kombo“, was allerdings eine Stadt ist und zwar über die Grenzen Jahalys hinausgeht aber immer noch in Gambia liegt. Verübeln kann man es ihnen nicht, denn sie leben in einem kleinen Dorf im kleinsten (Fest-)Land Afrikas. „Welche anderen Länder auf der Welt kennt ihr noch?“ – „Germany!“ schreien dann alle im Chor. Das ist wohl den deutschen Freiwilligen zuzuschreiben, die immer mal wieder in der Schule aushelfen.

Anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 nehme ich es mir zur Aufgabe, ihren globalen Horizont zu erweitern. Fußballspielen lieben sie alle und Ronaldo kennen sie auch. Aber von einer Weltmeisterschaft, bei der die besten Spieler aus der ganzen Welt gegeneinander Fußball spielen, davon haben zumindest die Kleinen noch nie gehört. Anders als die Kinder in der Hauptstadt haben sie im Dorf keinen Zugang zum Fernsehprogramm und wenn die Lehrer und alle, die auf dem Campus wohnen abends auf einem der zwei Fernseher der „Buschklinik“ die Spiele gucken, sind sie schon zu Hause in ihren Hütten.

Ich mache es mir also zur Begeisterung der Lehrer und, wie sich später herausstellen wird, auch der Schüler zum Projekt, mit den Klassen einige Flaggen der Länder zu malen, die an der WM teilnehmen. Sie sollen also in den nächsten Tagen die afrikanischen Länder Kamerun, Elfenbeinküste, Ghana, Nigeria und außerdem Argentinien, Spanien, Frankreich, Deutschland und Brasilien mit Fingerfarben zu Papier bringen.

Das Malen macht ihnen großen Spaß und nach einer ausführlichen Einleitung angefangen bei der gambische Flagge, die sie alle kennen über die Länder außerhalb Afrikas und die WM scheinen sie wirklich zu verstehen, was sie dort machen. Noch Wochen nach der Mal-Aktion laufen sie zu der Bühne, auf der alle Flaggen an der Wand hängen und erinnern sich: „Teacher, look! That is Spain! I did that!“.

Nur warum Gambia nicht an der Weltmeisterschaft teilnimmt, das verstehen sie nicht. Der 6-jährige Ebrima nimmt sich vor, das zu ändern, wenn er groß ist.

Der Mangogarten

Die Seele ist glücklich, wenn alle Sinne genießen.

Ich höre Stille. Nein, ganz still ist es nicht. Ich höre Vögel zwitschern und das entfernte Geschrei von Affen, die sich nicht blicken lassen. Ich höre eine Machete gegen Bäume schlagen und klappernde Pferdehufe auf dem Transgambian Highway. Ich höre den Wind in den Blättern rauschen und die Fliegen und Mücken summen.

Ich bin an einem der friedlichsten Orte in Jahaly – Im Mango Garten.
Ich schließe die Augen und nehme wahr.

Ich rieche brennendes Feuerholz, das an ein Lagerfeuer erinnert. Dazu der Geruch der glühenden Holzkohle für den Tee, der getrockneten Teeblätter und des süßen Dampfes, der aus der Kanne kommt, in dem Atayaa kocht. Dazwischen bahnt sich der Geruch der süßen, reifen Mangos.

Ich fühle den Wind auf meiner Haut, den angenehm kühlen Schatten unter den Zweigen der Mangobäume, das weiche Moos zwischen meinen Fingern und den Staub unter meinen Füßen.

Ich öffne die Augen und sehe die großen Palmenblätter von Bananenpflanzen und die verzweigten Äste der Mangobäume, die ein schattiges Dach über dem grünen Moosboden bilden. Die Sonne blinzelt zwischen den Ästen und grünen Blättern hindurch. An den Stauden hängen kleine, grüne Bananen und von den Zweigen herab hängen unzählige Mangos. Große und kleine, grüne, gelbe und rote. Auf der Lichtung neben einem der Baumstämme sehe ich Männer auf gelben Wasserkanistern sitzen. Sie kochen Tee in einer kleinen blauen Teekanne über der Feuerstelle. Sie sprechen Mandinka und verstehen augenscheinlich kein Englisch. Wahrscheinlich auch nicht den Spruch, der auf dem dreckigen, einmal gelb gewesenen, ausgewaschenen T-Shirt steht, das einer der Männer trägt. Save Water, Drink Tequila. Außerdem trägt er eine Wasserflasche bei sich, die in einem Netz um seine Hüfte gebunden ist. In der Gabelung eines Baumstammes sind Kanister, Schuhe und Säcke verstaut.

Der Mango Garten ist eine riesige Plantage, die aufgeteilt ist in mehrere Bereiche, die verschiedenen Familien gehören. Sie verkaufen ihre frischen Mangos am Straßenrand, lassen aber auch gerne Besucher in ihr Reich, laden sie dann zum Teetrinken ein und klettern auf die Bäume, um ihnen eine Kostprobe ihrer goldenen Früchte zu geben.

Ringsherum liegen kleine Tümpel mit rosa Seelilien, auf den Wiesen grasen Kühe und in den Bäumen sitzen blau und lila schimmernde Vögel. Der Mann mit dem gelben T-Shirt gießt den Atayaa kunstvoll in hohem Strahl in die kleinen Gläser ein und kommt auf mich zu. Er hält mir das Glas mit dem schwarzen Tee hin und lächelt. Dann schneidet er eine gelbe Mango auf und reicht mir auch davon ein Stück. Weich und süß zergeht sie auf der Zunge. Der Tee ist heiß und noch süßer als die Mango. Er spricht auf Mandinka. Ich verstehe ihn nicht. „Abaraka“ sage ich, um mich zu bedanken. Dann strahlt er. Setzt sich zurück auf seinen gelben Plastikeimer und trinkt lächelnd seinen Tee.

So lässt sich wohl das Gefühl der Glückseligkeit beschreiben.

Der Regen kommt

Seit mehreren Wochen zeigt das Thermometer schon 40 Grad an. Es ist so heiß in Jahaly, dass man vergessen kann, wie sich Regen anfühlt. An einem dieser Nachmittage im Mai laufen der kleine Muhamed und seine ältere Schwester Majula aufgeregt über den Hof der Buschklinik. „Rain is coming! Rain is coming!“ schreien die beiden, lachen und springen herum.

In Gambia fängt die Regenzeit Mitte Juni an und dauert einige Wochen, manchmal mehrere Monate.

Wenn man die Veranda betritt, merkt man tatsächlich, dass sich das Wetter geändert hat. Schaut man in den Himmel, blickt man in eine grau-weiße Wolkendecke, die den sonst so blauen Himmel und die brennende Sonne versteckt. Ein immer größer werdender Schatten wandert über das Dorf. Die Luft steht nicht mehr, sie bewegt sich. Erst wehen nur die Zweige der Bäume im Wind und Blätter werden aufgewirbelt, doch dann fängt es an zu stürmen. Der trockene Sand erhebt sich zu einer herumwirbelnden Windhose. Dann ergießt sich schlagartig Regen über den ganzen Hof. Die Palmen stehen schräg im peitschenden Wind und die Türen klappern in ihren Fassungen.

Die rote Erde färbt sich dunkel und die Wiesen saugen sich voll Wasser. Es tropft vom Wellblechdach und die Zwischenräume der Mosaiksteine auf den Wegen, die die Häuser miteinander verbinden, werden geflutet. Der Wind pfeift und rauscht.

Es riecht nach nassem Staub und Wiesen im Sommerregen und die Luft ist angenehm kühl. Nun tropft es nicht mehr von den Dächern, der Regen fließt in Wasserwänden herunter.

Auf dem Hof ist es wie ausgestorben, alle sind in ihre Häuser gelaufen. Nur auf der Straße laufen zügig zwei Frauen vorbei. Der Wind wickelt ihre Turbane um ihre Gesichter, sodass sie nicht mehr zu bändigen sind. Die bunten Tücher peitschen nass im Wind und die Frauen halten ihre Röcke fest. In langen Fäden schüttet es aus den dunklen Wolken.

Die Luft ist angenehm frisch und es wirkt, als würden die Pflanzen sie tief einatmen. Der ganze Staub, die ganze Hitze der vergangenen Monate ist wie weggespült. Die Bäume saugen durch ihre Wurzeln das lang ersehnte Wasser auf und die Blätter scheinen sich der Nässe entgegenzustrecken.

Zwei Kinder, ein Junge und ein Mädchen, kommen aus einem der Häuser gerannt. Der Junge trägt nur eine Hose. Ihre dünnen Klamotten kleben eng an ihrer Haut. Zusammen mit den Regentropfen springen sie in den Pfützen herum und rennen über die nassen Steine.

Der Himmel ist jetzt komplett grau, aber die grünen Wiesen, die Blätter an den Bäumen und die roten Blüten dazwischen leuchten umso heller. Jedes Einatmen fühlt sich an wie das Leben einzusaugen.

Donnerschläge rollen über den Himmel und eine noch heftigere Flut ergießt sich über das Land. In den Häusern hört man den Regen auf die Wellblechdächer trommeln. Drinnen ist es nun wärmer als draußen, ein ungewohntes Gefühl in Jahaly.

Nach einer Stunde voller Klängen und Geräuschen schwächt der Regenguss ab. Wie ein Schwamm, der ausgewrungen ist; sein ganzes Wasser ergossen hat. Jetzt tropft es nur noch von Ästen und Dächern und die Wolkendecke reißt an einigen Stellen auf. Hellgelb und mild scheint die Sonne hindurch. Zwei Mädchen laufen mit ihren nackten Füßen über die nassen Steine. Über ihren Köpfen halten sie ein blaues Tuch wie ein Segel.

Dann ist es auf einmal ganz still. Nur zwei gelb-schwarze Vögel, die in der Baumkrone sitzen, zwitschern sich munter zu.

Unbenannt

Jahaly – Das Leben im Dorf

Jahaly

Jahaly ist ein Dorf im Landesinneren von Gambia. Da es so weit von der Küste entfernt ist, ist es dort sehr heiß. In den Sommermonaten misst die Mittagshitze zwischen 38 und 40 Grad. Die Bewohner von Jahaly leben in Lehmhütten mit Strohdächern, die in kleinen Wohngemeinschaften angeordnet sind. In einem Compund leben meistens eine oder zwei große Familien zusammen. Es gibt keine Elektrizität und das Wasser wird mit einem Eimer aus Brunnen hochgeholt. Zu jedem Compund gehört eine Koch-Hütte, in denen die Frauen auf einer Feuerstelle zwei Mal täglich in großen Töpfen Essen für die Männer, Frauen und Kinder im Compund kochen. Nicht selten kommt es vor, dass kleine Kinder unbeaufsichtigt herumlaufen und sich an den offenen Feuerstellen schwere Verbrennungen am ganzen Körper zuziehen, die im Krankenhaus behandelt werden müssen. Deshalb ist die „Projekthilfe Dritte Welt e.V.“, die hinter dem Health Center und dem Kindergarten im Dorf steht auch dabei, Öfen im Dorf zu errichten.

Außerdem gibt es in Jahaly mehrere Schneider, die ihr Geschäft in einem kleinen Raum haben und meistens mit ihrer alten Nähmaschine am Straßen- oder Wegrand sitzen und Stoffe zu Hosen, Trachten, Kleidern und Kopftüchern zusammennähen. Jeder Schneider hat seine eigenen Preise und Nyima, ein Mädchen aus dem Dorf erklärt mir, 75 Dalasi (weniger als 2€) für das Nähen einer Hose sei ein „Tubab-Preis“. Also viel zu viel. Bei Preisen wird hier stark zwischen Einheimischen und Touristen unterschieden. Tubab ist Wolof für „Weiße“ oder „Weißer“. Läuft man als Weiße durch Jahaly oder andere Dörfer, rufen die Kinder laut „Tubaab! Tubaab!“ und folgen einem meistens längere Zeit. Das mag daran liegen, dass sie nicht oft Weiße sehen, aber auch Weiße als eine Art Spielzeug ansehen. Die Touristen, die mit Süßigkeiten nach Afrika reisen und jedem Kind einen Lolli schenken, bestätigen damit nur noch dieses Klischee in den Köpfen der Kinder, alle Weißen seien reich und fördern diese Gewohnheit der Kinder, hinter Weißen herzulaufen und zu rufen: „Tubab! Give me money“.

Die nächsten Dörfer hinter Jahaly sind Madina und Brikama Ba. Dazwischen liegt viel Natur. Weite Felder, Wiesen, Bäume, Palmen, Reisfelder, Plantagen und auch viele Tiere wie Kühe, Schafe oder Ziegen werden hier gehalten. Was manchmal aussieht wie Land, das verwildert, gehört in Wirklichkeit jemanden. Denn in diesem Bereich Gambias hat jedes Stück Land einen Eigentümer und dürfte nicht einfach so bebaut oder bepflanzt werden.

Brikama Ba

Möchte man von Jahaly in die nächst größere Stadt Brikama Ba fahren, wartet man am besten am Transgambian Highway auf ein „Gele Gele“. Das sind bunt geschmückte, meistens viel zu überfüllte Vans in schlechter Verfassung, die man schon von weitem an ihrem knatternden Motor erkennen kann. 10 Dalasi kostet die Fahrt nach Brikama Ba und es ist jedes Mal ein Erlebnis, diese kleine Reise anzutreten. Auf den neun vorgesehenen Plätzen finden dann auch mal 12 Männer und Frauen mit ihren Säuglingen Platz und es ist nicht selten, dass man auch mal ein Kind, eine Tasche mit Einkäufen oder ein Huhn auf den Schoß gedrückt bekommt. Der Fahrer nimmt jeden mit, der am Wegrand steht und winkt. Manche haben auch Ziegen, Fahrräder oder Reissäcke zu transportieren, die werden dann zusammen auf’s Dach gehievt.

Ein Mal passierte es, dass das Auto auf halber Strecke immer langsamer wurde, ungesunde Geräusche von sich gab und schließlich zum stehen kam. Als ich fragte, ob der Tank leer sei, antwortete der Fahrer Nein nein, der Tank sei voll, aber das Benzin sei mit Wasser gemischt, deswegen würde das Auto manchmal nicht so schnell fahren können. Nach ein paar Versuchen fuhr der Wagen wieder an, holperte ein paar Meter und fuhr dann mit etwa 10 Stundenkilometern weiter. Wir wurden von Eseln und Fahrradfahrern überholt. Neben mir saß ganz entspannt eine Frau, schaute aus dem Fenster und hielt ihr Baby im Arm, das seelenruhig schlief.

Eine Alternative um nach Brikama Ba zu kommen ist Pferde- oder Eselkutschen zu nehmen.
Am Samstag ist „Lumo“ in Brikama Ba, das ist ein Markt, zu dem Händler von weit her kommen. Dadurch gibt es ein größeres Angebot und es ist dementsprechend auch mehr los. Der Lumo ist wirklich ein Erlebnis. Es gibt riesige Berge von Mangos, bunte Stoffe und Maiskolben vom Grill, und zum Frühstück frisches Tappalappa, das ist baguetteähnliches Brot. Verlässt man den Transgambian Highway und taucht weiter ins Zentrum des Markts ein, stößt man auf einen großen Platz, auf dem eine überdachte Hütte neben der anderen steht und vor jeder davon kocht in großen Töpfen Fleisch und Reis. Dort habe ich auch zum ersten Mal Herz gegessen. Es war ein Schafsherz und hat überraschend gut geschmeckt.

Jedoch gibt es auf dem Markt auch viel Müll, der auf dem Boden herumliegt oder verbrannt wird, da es in Gambia kein funktionierendes Recyclingsystem gibt. In einigen Gassen stinkt es nach verbranntem Plastik. In der Nähe von Manjai Kunda an der Küste gibt es eine mehrere Hektar große Müllverbrennungsanlage, die bestialisch stinkt, wenn man daran vorbei fährt.
Ein eher gewöhnungsbedürftiger Anblick auf dem Markt ist auch der Verkauf von Fisch und Fleisch. Ungekühlt liegen die getrockneten oder auch frischen Fische auf Wellblechen oder Decken inmitten von Fliegen und Abfall und das Fleisch hängt an Metallhaken herum, bis es verkauft wird. Zum Schneiden von allem möglichen wird das gleiche Messer benutzt und man transportiert den Fisch dann einfach in einer Plastiktüte nach Hause.

Atayaa – Die Kultur des Brauens

Das Brauen von schwarzem Tee, eigentlich „China Green Tea“, ist in Westafrika sehr verbreitet. Doch nicht nur das Trinken von Atayaa, dem gesüßten heißen Tee, sondern viel mehr die Prozedur des Brauens und das Zusammensitzen dabei ist auch in Gambia ein fester Bestandteil der Kultur. Da Gambia ein muslimisches Land ist, trinkt kaum einer Alkohol. Atayaa fehlt jedoch bei keinem feierlichen Anlass. Abends aber auch einfach mittags, wenn man zusammensitzt wird der heiße Tee aus kleinen Gläsern genossen. Er soll gegen die Hitze helfen.

Was so schön an dieser Kultur des Brauens ist, dass sie ein Bestandteil der Gastfreundschaft ist, auf die in Gambia großen Wert gelegt wird. Sitzt man irgendwo, wo gerade eine Gruppe von Männern zusammensitzt und braut, wird man meistens gefragt, ob man Atayaa trinkt und bekommt ein Glas angeboten. Erstaunlicherweise schmeckt wirklich jeder Atayaa anders, weil jeder die Prozedur des Brauens und die Menge des Zuckers variiert.

Die getrockneten Teeblätter kann man verpackt in jedem Shop kaufen, auf der Packung steht „China Green Tea“, obwohl der Tee schwarz aussieht und auch nach schwarzem Tee schmeckt. Auf einem Stövchen mit glühender Holzkohle werden 3 kleine Gläser voll Wasser in einer bunten Metallkanne zum Kochen gebracht und die Teeblätter hinzugegeben. Kocht der Tee eine Weile, wird eins der kleinen Gläser voll Zucker in die Kanne gegeben. Über die Menge des Zuckers hat jeder eine andere Meinung, aber die meisten nehmen sehr viel, da der Tee sonst sehr bitter schmeckt. So köchelt der Tee jetzt noch 3 bis 4 Minuten weiter, bis man ihn zum Abkühlen von der Kohle nehmen kann.

Dann beginnt die eigentliche Prozedur: Der Teebrauer nimmt die Kanne mit dem immer noch sehr heißen Tee und gießt ihn in eines der beiden Gläser ein. Dabei hält er die Kanne sehr hoch, sodass der Tee in einem langen Strahl ins Glas fließt. Dann schüttet er ihn vom Glas wieder zurück in die Kanne. Und wieder zurück ins Glas in einem langen Strahl. Und so geht es mehrere Male hin und her, damit sich der Zucker mit dem Tee gut vermischt. Als nächstes wird das Gebräu von einem Glas ins andere geschüttet, ebenfalls von weit oben. Hat man viel Übung geht auch eigentlich fast nie etwas daneben. Für Anfänger ist das Treffen der kleinen Gläser aus der Höhe nicht so einfach. Beim Hin- und Herschütten von einem Glas ins andere kühlt der Tee ein bisschen ab und bildet den erwünschten Schaum. Je länger man schüttet, desto mehr Schaum entsteht im Glas. Mit einer schnellen Geschicklichkeit aber auch mit einer Ruhe schüttet derjenige, der braut weiter hin und her als könnte er ewig so weiter machen.

Bevor der Tee dann jedoch endlich getrunken wird, wird er nochmal zurück auf die glühenden Kohlen gestellt um wieder heiß zu werden und die vom Zucker klebrigen Gläser werden gewaschen. Ganz wichtig: Nur von außen. Der mühsam produzierte Schaum soll dabei in den Gläsern bleiben. Serviert der Brauer den Atayaa dann endlich, hat er eine dunkelbraune Farbe. Er gießt ihn wieder kunstvoll von weit oben in die beiden Gläser ein und bietet ihn zweien aus der Runde an. Niemals trinkt der Brauer seinen Atayaa zuerst. In der kleinen Kanne ist nicht mehr Tee als für vier Gläser. Doch die Teeblätter können bis zu drei Mal aufgekocht werden. Meistens übernimmt den zweiten und dritten Aufguss dann ein Nächster. Er wird dann von Mal zu Mal milder.

Es heißt, der erste Aufguss sei bitter wie der Tod, der zweite lieblich wie das Leben und der dritte süß wie die Liebe.

Die Buschklinik

Im Landesinneren von Gambia, südlich vom Fluss und etwa 280 Kilometer von der Hauptstadt Banjul entfernt liegt das kleine Dorf Jahaly. Direkt am Transgambian Highway, der Hauptstraße, die einmal quer durchs Land führt, liegt die Buschklinik. Das Krankenhaus und der dazugehörige Kindergarten ist Teil des Vereins „Projekthilfe Dritte Welt“, der 1999 von dem deutschen Projektleiter Matthias Ketteler ins Leben gerufen wurde. Zum Krankenhaus gehört eine Apotheke, ein überdachter Warteraum im Freien, drei Sprechzimmer und ein Behandlungsraum, in dem die Patienten liegen. Alles ist sehr einfach ausgestattet, und alle Patienten liegen in einem Raum, doch es ist sehr hygienisch. Die Buschklinik gilt als eines der besten Krankenhäuser im Land. Auch an Medikamenten mangelt es nicht. Die werden regelmäßig aus den Niederlanden bestellt und alle paar Wochen fährt einer aus dem Büro des Projekts in Kombo raus in die Provinz um neue Medikamente zu bringen und nach dem Rechten zu schauen. Ärzte gibt es in der Klinik jedoch nicht. Dort arbeiten ausgebildete Krankenpfleger. Einige von ihnen haben jedoch Fortbildungen im Ausland gemacht oder in Deutschland studiert. So wie der Zahnarzt, der sich jeden Tag viele schlechte Zähne anschauen muss. Denn Zahnpflege ist ein großes Problem in Gambia. Aufgrund von Mangel an Zahnbürsten oder Zahnpasta müssen schon Kindern oft mehrere Zähne gezogen werden.

An die Klinik grenzt der Jahaly Madina Kindergarten, der gleichzeitig eine Vorschule ist. Er gehört ebenfalls zur Buschklinik und wird von Kindern aus Jahaly und den angrenzenden Dörfern Madina und Brikama Ba besucht. Gesponsert wurde der Kindergarten 2004 vom RTL-Spendenmarathon. In rot-weiß karierter Schuluniform stürmen jeden Morgen um 08:30 Uhr, wenn die Glocke geläutet wird, mehr als 250 Kinder in ihre Klassenräume. Im Alter von drei bis sieben Jahren werden sie hier in den Fächern Language, Numbers, Social and Environmental Studies, Art Craft, Entertainment Class und Religion unterrichtet. Das bedeutet, dass sie aufgeteilt in Level 1, 2 und 3 lernen Zahlen und Buchstaben zu lesen und zu schreiben oder Tiere, Wochentage und Farben zu benennen. Auch in Hygiene werden die Schüler unterrichtet. Sich morgens zu duschen und mit sauberer Uniform in die Schule zu kommen ist wichtig. Wer keine Zahnbürste hat nehme eben einen Stock und säubere sich damit die Zähne. Der Unterricht läuft in der Regel so ab, dass der Lehrer Merksätze oder Zahlenreihen vorspricht und 40 Kinder sie gemeinsam nachsprechen. Dann werden einzelne Kinder mit dem Zeigestock an der Tafel geprüft. Der Unterricht findet auf Englisch statt, auch wenn einige Kinder sich damit noch schwer tun. Die meisten Kinder sprechen Serahule oder Mandinka, die Sprachen aus den umliegenden Dörfern. In Religion bringt der Lehrer den Schülern das arabische Alphabet bei und spricht Koranverse vor, die sie nachbeten. Steht jedoch Entertainment Class auf dem Stundenplan, kommt ein Lehrer mit einer großen Trommel in den Klassenraum und alle Kinder wissen was zu tun ist – Sobald er anfängt schnelle Rythmen zu trommeln, springen alle Kinder von ihren Stühlen und fangen an zu tanzen. Da gibt es keinen der sitzen bleibt oder schüchtern ist. Alle springen, schütteln Arme und Beine und lachen. Manchmal singen sie auch dazu – natürlich auf Englisch. Auch in den anderen Unterrichtsfächern gibt es für fast alles ein Lied. Für die sieben Wochentage, Transportmittel oder Aufzählreime. Im Kunstunterricht mischen die Kinder Farben oder malen Bilder aus. In den niedrigeren Klassen wird auch darauf geachtet, dass das Spielen nicht zu kurz kommt. Es gibt Kuscheltiere und Bauklötze in den Klassenräumen und auch in den Pausen scheint den Kindern die Mittagshitze, die manchmal 36 Grad erreicht, nichts auszumachen. Sie Jungs stürmen nach draußen und spielen im roten Staub Fußball, die Mädchen sind ganz euphorisch wenn es ums Seilchenspringen geht. Was sich schnell als schwierig herausstellt ist, den Kindern neue Spiele beizubringen. Oft machen ihre schlechten Englischkenntnisse der Verständigung einen Strich durch die Rechnung. Doch nach einer halben Stunde Hin- und Herschieben und wildem Gestikulieren sitzen auch 30 Kinder im Kreis und spielen Plumpssack.

Sowohl die Lehrer als auch die Kinder sind sehr motiviert und die meisten der Kleinen können nach dem Kindergarten in der gegenüberliegenden Grundschule dann schon eine oder zwei Klassen überspringen.